Von der Komik der Heldenposen

Kabarettist Arnulf Rating besucht das Lutterbeker mit verändertem Programm

Nach dem 11. September änderte Arnulf Rating das Programm

Knapp daneben heißt das neue Programm von Arnulf Rating. Der hoch aufgeschossene Mann mit den blonden Fisselhaaren spielt seit vielen Jahren in der ersten Liga der deutschen Kabarettisten. Erst als Mitbegründer des legendären Berliner Szene-Kabaretts »Die 3 Tornados«, später beim "Reichspolterabend" und mittlerweile mit seinem fünften Soloprogramm. Morgen kommt der Meister der drastischen Pointe mit intellektuellem Hintersinn ins Lutterbeker. Die Kieler Szenen sprachen vorab mit ihm.

»Zum Kabarettisten wird man nicht geboren, zum Kabarettisten wird man gemacht« heißt Ihr Wahlspruch. Was hat Sie zum Kabarettisten gemacht?

Man muss etwas »neben der Spur liegen«. Das Leben ein bisschen an sich vorbeilaufen lassen, um die ganzen Merkwürdigkeiten sehen zu können, die darin vorkommen. Außerdem, wenn man in einer Stadt wie Mühlheim geboren ist, wird man automatisch Kabarettist. Fast alle Kabarettisten kommen aus Kleinstädten, auch wenn sie später in der Großstadt landen.

Ursprünglich sollten Sie bereits im Oktober im Lutterbeker auftreten, aber der Termin wurde verschoben. Warum?

Das hat mit den Ereignissen am 11. September zu tun. Ich habe danach mein Programm noch einmal geändert. Wenn so was passiert, muss man Stellung beziehen als politischer Kabarettist. Aber erst mit einem gewissen Abstand, wenn alle wieder einen kühleren Kopf haben.

Wovon handelt das Programm?

Ich stelle einen Vertreter vor, der mit Meinungen aller Art handelt. Man wird ja heute beispielsweise ganz schnell als Islamexperte in eine Talkshow eingeladen, wenn man nur mal einen Döner gegessen hat. Und damit das keinen unvorbereitet trifft, biete ich Meinungen an. Für alle Lebenslagen.

War es nach dem 11. September schwieriger Kabarett zu machen, oder bietet es sich gerade in einer solchen Situation besonders an?

Es lädt geradezu dazu ein, den ganzen unverdauten Meinungsbrei zu verarbeiten. Nach dem 11. September war bei uns so eine Allzeit-Bereit-Stimmung da, nach dem Motto »Wer jetzt nicht mitmacht, ist ein Verräter«. Mittlerweile können wir das zum Glück wieder differenzierter sehen. Aber in solchen Situationen verhalten sich Menschen auch leicht komisch. Das zu bemerken, zum Beispiel das Komische der Heldenposen, die sich da aufbauen, dazu ist das Kabarett geschaffen.

Also kein Ende der Spaßgesellschaft?

Der Spaß geht weiter. Das sehen wir doch jeden Tag. Außerdem hat der Kleintierzüchterverein Bad Hersfeld auch seine Hauptversammlung abgehalten, unter dem Motto »Jetzt erst recht«. Wir lassen uns doch von bin Laden nicht unsere Termine diktieren.

Interview: Beate Jänicke

 
© Kieler Nachrichten, 8.11.2001
 

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