Schwester Hedwig behandelt schwere Fälle

DIETMANNS - Ein Bühnenprogramm der etwas anderen Art passend zum Auftakt der Herbstsaison hat jetzt der Adler in Dietmanns mit dem politischen Solokabarettisten Arnulf Rating aus Berlin präsentiert. Mit seinem Solo-Kabarett "Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle" diagnostizierte Rating die aktuelle Situation Deutschlands.

Arnulf Rating ist ein wahres Rhetoriktalent mit Revolverschnauze und der Geschwindigkeit einer Maschinenpistole. Alles und jeder wird genauestens unter die Lupe genommen, akribisch zerlegt und behelfsmäßig wieder zusammengesetzt. Ratings Sprachschatz entlarvt, angefangen beim Innenminister, über Edmund Stoiber ("Stoiber, das ist Gammelfleisch im Trachtenanzug") und nicht zu vergessen, Angela Merkel. Deutschlands Politiker in allen Facetten kommen bei Rating unter den Hammer. Egal ob Doping, Gesundheitsreform, Globalisierung oder Siemens-Affäre - für Rating sind dies Vorlagen für respektlose, aber blitzgescheite Gedankenflüge, die die gesamte Nation aufs Korn nehmen.

Rating zerpflückte Schlagzeilen

Der 1951 in Mühlheim an der Ruhr geborene und in Wuppertal-Barmen aufgewachsene Rating studierte in Münster und Berlin und war nebenbei auch noch Mitbegründer der legendären Berliner Anarcho-Kabarett-Truppe "Die 3 Tornados". Auch am Samstagabend im Dietmannser Adler zerpflückte Rating aktuelle Schlagzeilen, wie zum Beispiel die Meldung des Forbes-Magazin, dass Angela Merkel die stärkste Frau der Welt sei. Ratings Kommentar dazu: "Warum hat sie dann nicht bei Olympia mitgemacht?" Auch das G 8 Gipfeltreffen blieb nicht verschont: "Rundherum einen Zaun wie in der Zone und mitten drin Angela wie eine Dompteuse".

Rating ist bissig, schnell und spritzig, aber vor allem vergießt er seine ätzenden Gehässigkeiten originell und wortgewaltig über sein Publikum. Ob er dabei nun in die Rolle des BKA-Beamten schlüpfte oder aber in einer Diskussionsrunde Frau Dr. Kathrin Holdenreich-Niederwasser und ihren Gegenüber Dr. Murks mittels Schirmmütze und blonden Haaren darstellte, spielte keine Rolle. Metaphern und Lebensweisheiten wie "ein Schwein, das Angst vorm Metzger hat, wird nie ein Schnitzel" untermalten Ratings Wortwitz.

Auch seine Diagnose als Anwerber bei der Bundeswehr ließ am Samstag tief blicken und entbehrte nicht einer gewissen Häme. So behauptete er: "Unsere Soldaten sind doch nur in Afghanistan, weil sie dort unsere Mohnfelder bewachen müssen" oder "Das Christentum predigt die Armut und die große Koalition hat sie endlich verwirklicht", aber auch "Die Sozialdemokraten sind so wenig geworden, die kann man dann bald in Reservate zusammen fassen". Rating plädierte außerdem für eine Inhaltsangabe auf Wahlzetteln: "Auf jeder Dose steht doch auch drauf, was drin ist. Aber bei den Politikern ist ungewiss, was man kriegt".

Wie auf den Leib geschrieben

Die zentrale Bühnenfigur "Schwester Hedwig", die sich an keinerlei Schweigepflicht gebunden fühlte und gerne orthodoxe Rezepte abseits jeder Schulmedizin für die Patienten Deutschlands bereit hielt, war Rating wie auf den Leib geschrieben. Gnadenlos logisch und nicht für Langsamdenker gedacht, kommentierte die Krankenschwester mit den roten Pippi-Langstrumpf-Zöpfen die Absurditäten unserer Zeit.

Wer bei Ratings gedanklichen Sturzflügen keine Höhenangst bekommen hat, ist sicher auch dieses Mal wieder voll auf seine Kosten gekommen. Ein Polit-Kabarett der ganz besonderen, bitterbösen, temporeichen und skurrilen Art hat mit Arnulf Rating einen Meister der Extraklasse gefunden.

© Schwäbische Zeitung, 03.09.2008