Arnulf Rating in der Neuen Welt
Marode Republik
Ingolstadt (DK) Die Neue Welt ist wie anscheinend ständig bei den Kabaretttagen ausverkauft. Arnulf Rating aus Berlin, Schwergewicht des politischen Kabaretts, ist angesagt, und mit ihm eine Bestandsaufnahme der Deutschland AG. Bevor die marode Republik saniert werden kann, muss freilich eine Diagnose her und die Schuldfrage geklärt werden. Letztere fällt ebenso umfangreich wie vernichtend aus, denn Schuld ist für Rating quasi alles und jeder: Merkel, Stoiber und Steinmeier, Gammelfleisch, Hartz IV und Justiz, Airbus, Telekom und Bahn AG. Nachdem das klargestellt ist, folgt das Gesundungsprogramm in drei Schritten. Erstens: Jeder zahlt seine persönliche Staatsschuld von 18 500 Euro ein oder gibt bei erwiesener Pleite seinen Ausweis ab. Zweitens: Unrentable Bundesländer werden verkauft. Drittens: Wer dann immer noch mault, wird ausgebürgert.
Klingt hart? – Natürlich, ist ja auch Satire. Und in der Darbietung durch einen wie Arnulf Rating zudem brüllend komisch. "Reich ins Heim" heißt sein Programm, was keine verbale Verdrehung einer einst in der Katastrophe endenden Staatsvision ist, sondern tatsächlich zu tun hat mit einer anderen Vision, der eines finanziell sorgenfreien und medizinisch umsorgten Alters. "In Ingolstadt könnte ich mir vorstellen, alt zu werden", sagt Rating, "man müsste die Stadt nur zuerst fluten, dann ein Hilfskonto einrichten, die zu erwartenden Spenden einstreichen und sie dann in Saus und Braus verpulvern." Schöne Aussichten.
Roter Faden "Reich ins Heim – aber wie?" – daran lässt sich einiges aufhängen, bei Rating eigentlich alles. Nach genau 30 Sekunden – der Begrüßungsapplaus ist noch nicht verklungen – ist bereits Angela Merkel erledigt. Libanon-Einsatz, der Fall Kurnaz, van der Leyens Kinderkrippen, Mixas "Gebärmaschinen" – nichts bleibt unerwähnt. Gestern in den Schlagzeilen, heute Teil des Bühnenprogramms, so geht das bei Rating. Er spielt Sabine Christiansens Gästeschar im Alleingang, lässt seine mittlerweile legendäre "Schwester Hedwig" aus dem Nähkästchen plaudern, sieht sich selbst in nicht ferner Zukunft im "Rudi Dutschke-Heim für alte Genossen".
Rating ist schnell. Ach was, sein Tempo als Kabarettist ist atemberaubend, seine Sprache eine Waffe. Rating kann Verständnis heucheln, vor Häme nur so triefen – vor allem, wenn er die Schlagzeilen der Bild-Zeitung seziert – und überaus gemein sein. Manchmal fragt man sich: Darf er das überhaupt öffentlich sagen? Aber ja doch, denn erstens ist es Satire und zweitens trifft es immer die Richtigen, ganz egal, ob politisch rechts, links oder – was derzeit besonders gerne genommen wird – mittig angesiedelt. Und Rating ist schlau. Seine Sicht der Zusammenhänge ist ungemein lustig, – bei dieser enormen Pointendichte lacht man durchgehend mehr als zwei Stunden lang – aber auch sehr entlarvend und alles andere als schmeichelhaft für die Kaste unserer Volksvertreter, erklärten Experten, Wichtigtuer und sonstigen Meinungsführer. Politkabarett, das keine Wünsche offen lässt.
Karl Leitner
© Donaukurier, 03.03.2007