Wenn „Senoritas” an der Macht sind

Arnulf Rating mit kabarettistischen Pointen in Worms zu Gast
Viele „Mitwirkende” an Bord

Arnulf Rating
Kabarettist Arnulf Rating gastierte im Lincoln. Die Besucher waren begeistert.
Foto: Uwe Feuerbach

„Reich ins Heim” hieß das Programm mit Arnulf Rating, das gewisse Assoziationen weckte und desto diffusere Erwartungen nährte. Dabei war der Titel zunächst durchaus wörtlich zu nehmen: Lustvoll entwarf der Kabarettist in der Rolle der 86-jährigen Oma mit Lockenwicklerperücke ein paradiesisches Bild des alternden Deutschlands, in dem die Senioren und "Senoritas" die Macht übernehmen und sich in rasenden Rollstühlen ein munteres Leben zwischen Pillen, Pampers und Stützstrümpfen gönnen.

Aber natürlich legte es der Mann mit der authentischen Clownsfrisur durchaus auch darauf an, seine Zuhörer mit doppelsinnigen Begriffen in die Falle zu locken. Er balancierte so glänzend und durchtrieben mit Worten, dass die grauen Zellen des Publikums im ausverkauften Lincoln permanent gefordert waren. Worms hatte er natürlich sogleich als eine "der schönsten Städte Deutschlands" erkannt und hakte dann in geradezu atemloser Geschwindigkeit die aktuellen politischen Themen ab, beginnend mit den Managern vor Gericht über die Gesundheitsreform, den Terrorismus ("Wir gehören zu den Geißelgeberländern") und den Libanonkrieg bis hin zum Gammelfleisch, das er auf den Regierungsbänken wesentlich stärker vertreten sah als in den Kühltruhen.

Soviel Ungereimtes veranlasste ihn, sich als öliger Profi um die Sanierung der Deutschland AG zu kümmern. "Wir sind die Shareholders", unterbreitete er seinen Zuhörern. Flink teilte er den Schuldenberg durch die Zahl der Bundesbürger und schlug vor, sie alle mit 18500 Euro Einlage zur Kasse zu bitten. "Wer nicht kann, wird abgestempelt", erklärte er, die armen ostdeutschen Länder könne man als nächstes bei Ebay versteigern; dem Rest der klein-deutschen Lösung riet er, im Ausland zu arbeiten: "Ihr Arbeitsplatz ist nächste Woche sowieso fort".

Danach allerdings wurde Arnulf Rating total lokal und berief einen Runden Tisch Zukunft Worms.

Eingeladen hatte einen bedächtigen Wissenschaftler aus dem Osten, für den "Fluten" mangels Geld das Allheilmittel war, einen smarten Eventmanager, der ein Dreifstufenprogramm entwickelte, um die Stadt nach vorne zu pushen: Erlebnisshopping rund um die Uhr, ein Kleinkunst- und Kurzwarenfestival und schließlich die "olympic games" 2020. Der Dritte im Bunde, ein Demoskop, verriet, dass 42 Prozent aller Nicht-Einheimischen Worms für ein Regal-System von "Ikea" halten und keinen Finger rühren würde, um es zu retten. Fluten, riet der Professor stoisch.

Die drei Herren kehrten im Lauf des Abends immer wieder, was unter anderem zu einem ergötzlichen Exkurs über die Wanderbewegungen der Wähler und zu einer bitterbösen Abrechnung mit der Gilde der Politiker führte. Weitere "Mitwirkende" bei dieser turbulenten Ein-Mann-Show waren Schwester Hedwig mit den blonden Zöpfen, die in der Garderobe von Sabine Christiansen arbeitete und Schreckliches über ihre Gäste zu berichten wusste. Oder der grüne 68er, der sich ständig am Bauch und Po kratzte und beklagte, dass seine revolutionären Ideen ihn mittlerweile rechts überholt hatten. Tüpfelchen auf dem "i" waren die lakonischen Kommentare des Schnellredners zu Schlagzeilen der Bild-Zeitung. Da blieb kein Auge trocken: Begeistert spendeten die Wormser dem Kabarettisten einen lang anhaltenden Applaus. Auf baldiges Wiedersehen!

Ulrike Schäfer

© Wormser Zeitung, 26.02.2007