Total zugedröhnt

Arnulf Rating in der Lach & Schieß

Die Deutschen werden immer älter – je nach Jahrgang eine mehr oder weniger düstere Diagnose. Aber was liegt näher, als sich dann eben „Reich ins Heim“ zu begeben, wenn die Zeit gekommen ist? Doch so einfach geht’s nicht, erst muss das Land saniert, gesundgeschrumpft werden, damit es für die wenigen, die das überstehen, auch reicht. „Reich ins Heim“ also – diese schöne (wenn auch geklaute!) Devise hat Arnulf Rating nun auch für das Publikum in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft parat.

Und damit alles klappt, macht er sich an die Arbeit, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Skrupel darf man da nicht haben, und so operiert der Kabarettist zunfttypisch zynisch mit dem Vokabular der Unternehmensberater. Und deren Konzept ist klar: das Führungspersonal der „Deutschland AG“ austauschen, unrentable Firmenteile abstoßen. Ade Merkel und Müntefering, ade „Mecklenburg- Vorpolen“. Aber Mitleid darf man da nicht haben, schließlich sind, wie „Schwester Hedwig“ aus dem Team von Sabine Christiansen weiß, sowieso die meisten Politiker total zugedröhnt. Und was das Volk betrifft: „Ihre Arbeitsplätze sind schon in China, was also wollen Sie noch hier?“

Je härter die Hämmer, desto lebendiger der Mann mit der sehr hohen Stirn. Auf der Bühne zappelt eine Art multiple Persönlichkeit, changierend zwischen einem Demoskopen auf der Suche nach verschollenen Wechselwählern, einem Werbefritzen, für den das Land eine „Location“ ist, und einem desillusionierten Technokraten, der schon zweimal versucht hat, „den Osten zu fluten“.

Rating, im Outfit des arrivierten Achtundsechzigers, redet die Republik sturmreif, doch von den Ruinen hallt das Gelächter wider – zum Beispiel über seine furiose „Bild“-Schlagzeilenrevue. Das kollektive Altenheim – ein Irrenhaus. „Schönen Lebensabend noch!“, wünscht Rating zum Schluss. Den hat sein Auditorium. Jedenfalls für den Moment.

Rudolf Ogiermann

© Münchner Merkur, 06.10.2006