„Unvermögensteuer“ für Politiker

Arnulf Rating begeisterte das Publikum in der Begegnungsstätte BEGU

Der Künstler gab in Lemwerder sein Debüt und hatte mit seinem politisches Kabarett-Programm die Lacher auf seiner Seite.

Lemwerder/and – „Alles prima“, hieß es am Sonnabendabend in der Begegnungsstätte Lemwerder (BEGU). Der aus Wuppertal stammende und in Berlin lebende Polit-Kabarettist Arnulf Rating gab sein Lemwerder Debüt vor gut gefüllten Zuschauerreihen. „Bisher war ich nur auf der anderen Seite in Vegesack“, konstatierte er überrascht, dass es auch diesseits der Weser kulturell Interessierte gibt. Nach Vegesack jedenfalls käme man nicht unbedingt freiwillig hin. Man müsste es in „Bad Vegesack“ umbenennen, da man ja in einen Kurort auch nur auf Weisung des Arztes reisen würde.

Kaum ist der lokale Bezug abgearbeitet, folgt eine grundsätzliche Frage: „Was machen wir heute Abend – Spaß oder politisches Kabarett?“ Antwort des in Stimmung kommenden Publikums: „Politisches Kabarett!“ „Ja finden sie das etwa witzig?“, folgt seine scheinbar überraschte Reaktion, um gleich darauf mit gedanklichen Sturzflügen im unermüdlichen Pointengewitter durch das politische und gesellschaftliche Leben zu rennen.

Dabei spannt Rating den satirischen Bogen weit: Von den Sparvorschlägen aus Finanzminister Eichels „Reichsluftumbuchungsministerium“, über den Schmiergeld-Verdacht gegen die Vereinigungsregierung („Die Vaseline der Kohl-Ära“), bis hin zur qualitätsvernichtenden Inflation auf dem Büchermarkt, angeführt von Dieter Bohlen, „der das Brett im Kopf bereits im Namen trägt“. Aber auch die Vermarktung der Politik liegt ihm am Herzen. Die sei ja viel zu teuer. Wie solle man beispielweise Roland Koch fotografieren, damit er gewählt wird, richtete er sich ans lebhaft lachende Publikum. Das sei einfach sehr aufwändig.

Um Politik finanzieren zu können, schlug der Hochgeschwindigkeitskabarettist also vor, das Steuersystem zu ergänzen. Statt einer Vermögensteuer stelle er sich eine „Unvermögensteuer“ für Politiker vor. Die Säule des Ratinger Steuermodells soll aber eine gestaffelte „Schwafelsteuer“ darstellen. Müntefering sei dann gleich mit 90 Prozent zu veranschlagen, Stoiber für den „Ääh“-Zuschlag vorgesehen und Westerwelle für eine spezielle „Dünnpfiffsteuer“.

Auch alles, was „Autokanzler“-Schröder heute mache, sei Marketing, meint Rating, der statt der Riester-Rente lieber Riesters Rente hätte. Agenda 20-10, aber auch Harz und Rürup würden angepriesen wie Automarken mit Sonderausstattung. Und eben auch die Ich-AG gehöre dazu. Sie betreffe ihn als eigene Ich-AG Zeit seines Lebens persönlich („Ich gehe mit meinem Chef ins Bett“), auch körperlich. Auch was Personalanpassungen betreffe. Außer von seinem Blindarm und Teilen seiner Haare habe er, der in Personalunion Aufsichtsrat, Chef, Betriebsrat und Mitarbeiter vereinige, sich bislang trotz zu hoher Personalkosten von niemandem trennen können. Und daran ändere sich auch nichts, nachdem eine Unternehmensberaterin („einfach jeder hat einen Berater“), die er zufällig als 14-Jähriger aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen verschmäht hatte, ein vernichtendes Urteil über ihn als Betrieb abgegeben habe.

Der Abend gestaltete sich für das begeisterte Publikum wie ein kurzweiliges Dauergewitter. Rating unterstützte seinen Redeschwall mit nicht minder lebendiger Mimik und Gestik, unterstützt von einfachen Requisiten. Ein guter und neugierig machender Auftakt für das Herbst-Kabarett-Programm der BEGU-Lemwerder.

© Delmenhorster Kreisblatt, 20.09.2004