Die Ich-AG auf Abwegen

Arnulf Rating im Pullacher Bürgerhaus

Pullach – Im grauen Nadelstreifen-Anzug und mit einer Drehung im Stile eines Laufstegmodels präsentierte Arnulf Rating die typische Ich-AG: sich selbst. Der Kabarettist aus dem Ruhrgebiet trat im ausverkauftem Saal des Pullacher Bürgerhauses auf und bot den Gästen, was sie wollten, nämlich politisches Kabarett.

Rating streift und vertieft die verschiedenen Probleme der Politik, die Deutschland und die Deutschen momentan bewegen, wie die Reformpakete, die Mautgebühr und natürlich die Ich-AG. Dies geschieht alles in einem so rasanten Sprechtempo ohne Punkt und ohne Komma, so dass der Zuhörer und Zuschauer fast aufpassen müssen, die vielen Wortspielereien und Wortverdreher nicht zu verpassen. Der Kabarettist baut auf die Assoziationskraft des Publikums.

Rating nutzt auf witzige Art und Weise seine wenigen Requisiten, um das Gesagte zu untermalen. Pappschachteln werden da zu Reformpaketen, die irgendwann unter dem Tisch verschwinden. Politik vergleicht Rating mit Waschpulver. Billig, aber dafür sei das Marketing um so teurer. Zum Beispiel klinge doch "Agenda 20-10" wie ein Name eines VWs und würde fast zum Kauf verlocken. Zur Lösung des Problems mit der Mautgebühr und den dadurch fehlenden Millionen schlägt er vor, doch die Arbeitslosen an die Autobahnen zu stellen und das Geld einzukassieren. Aber eigentlich habe er keine Lust mehr, über Politik zu reden, es seien doch immer nur die gleichen Themen. Rente, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, das bedeute alt und krank zu sein und nicht wissen, was zu tun ist. Die Probleme werden hier zu Krankheitssymptomen. Für den Patienten Deutschland heißt das "Pflegestufe Drei".

Wie durch Ich-AG gespaltene Persönlichkeit anerkannt wird

Bewegendes Thema bei Rating ist die Ich-AG. Seit seiner Geburt sei er eigentlich eine solche "Ein-Mann-Aktiengesellschaft", die immer wieder geprägt sei von Kämpfen der in ihm wohnenden Personen, dem Aufsichtsratsvorsitzenden mit Brille – leicht näselnd von oben herab – und dem saloppen Betriebsrat. Mit Einführung der Ich-AG durch die Regierung sieht er endlich die gespaltenen Persönlichkeiten seiner Ich-AG anerkannt. Mit Perücke und den beiden Brillen, die ihm beide kurz hintereinander herunterfallen, mit Gestik und verschiedenen Stimmlagen wechselt er gekonnt in verschiedene Rollen, sei es nun in die eines Taxifahrers oder einer alten Jugendliebe, die als Unternehmensberaterin seine Ich-AG überprüft und dabei zu einem vernichtenden Urteil kommt: Totalschaden.

Anke Schulze

© Münchner Merkur, 29.11.2003