Arnulf Rating und der Fall
»Dr. Gröbner«

Am 10. November 1998 erhielt Arnulf Rating von der Kanzlei Gaedertz – Rechtsanwälte – folgenden Brief als Fax:

 

»Dr. Gröbner ./. Rating

Sehr geehrter Herr Rating,

wir zeigen an, daß wir Herrn Ministerialrat Dr. Gröbner, Bonn vertreten.

Herr Dr. Gröbner erfährt soeben, daß Sie in ihrem Programm ›Out of Bonn‹, welches Sie offenbar bundesweit vorführen, ehrverletzende Behauptungen über unseren Mandanten aufstellen. Wir verweisen der Einfachheit halber auf den in Kopie beigefügten Bericht aus der Aschaffenburger Zeitung vom 25.10.1998. 

Danach wird unser Mandant von Ihnen (...) als ›orientierungsloser Fachreferent für Ablagewesen‹ aufgeführt, der als ›kleiner Beamter‹ von seiner Sekretärin wegen Umzugssorgen aufgepäppelt werden muß. Das chaotische Berlin verursache ihm Herz-Rhytmus-Störungen.

Er komme sich in seinem stickigen Beamtenzimmer Nr. 217 (richtig wäre 317) richtig verlassen vor. Weitere Einzelheiten ersparen wir uns. Die Tatsache, daß der Vorname geändert wurde, ist unerheblich. Unser Mandant ist der einzige Beamte des genannten Bundesministeriums dieses Namens, so daß er eindeutig von Ihnen persönlich identifiziert wird.

Es steht Ihnen sicherlich frei, die Sorgen und Widerstände einzelner Beamter gegen den Umzug zu parodieren. Es steht Ihnen auch frei, sich dabei parodierend an real existierenden Personen zu orientieren. Sie greifen jedoch rechtswidrig in die Persönlichkeitsrechte unseres Mandanten ein, wenn Sie ihn, ohne daß er Person der Zeitgeschichte wäre, namentlich erwähnen und persiflieren.

Wir haben Sie deshalb aufzufordern, umgehend, spätestens aber bis zum

17.11.1998

hier eingehend zu erklären, daß Sie es ab sofort unterlassen, in Ihrem Programm ›Out of Bonn‹ unseren Mandanten namentlich zu erwähnen. Sollte uns diese Erklärung nicht fristgemäß zugehen, müssen Sie damit rechnen, daß wir unserem Mandanten die Einleitung sofortiger gerichtlicher Schritte empfehlen. Die Kosten unserer Inanspruchnahme gehen zu Ihren Lasten. Wir werden Sie zu gegebener Zeit aufgeben.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift Piltz«

 

Darauf antwortet am 13. November 1998 der Rechtsanwalt Dr. Geulen, der Herrn Rating vertritt:

 

»Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Piltz,

ich vertrete in dieser Angelegenheit Herrn Arnulf Rating, der mir Ihr Schreiben vom 10. November 1998 zur Beantwortung vorgelegt hat. Ich darf Ihnen in Kürze folgendes mitteilen:

Offen gesagt hatte ich einige Mühe, meinen Mandanten davon zu überzeugen, daß das Begehren Ihres Herrn Auftraggebers anscheinend ernst gemeint ist. Mein Mandant tritt in seinem Kabarett-Programm ›Out of Bonn‹ als Schwester Hedwig Klitzke auf, die in Berlin in einem ›Bundesumzugsamt‹ einen ›Fachreferenten für Ablagewesen‹ namens Gröbner betreut. Alle Namen und Amtsbezeichnungen dieser Parodie sind offensichtlich fiktiv. Es gibt in Berlin (und übrigens auch in Bonn) kein Bundesumzugsamt, es gibt auch keinen Fachreferenten für Ablagewesen namens Gröbner und es gibt keine Beraterin namens Schwester Hedwig Klitzke.

Der Beamte, von dem Herr Rating als Schwester Hedwig Klitzke berichtet, ist offensichtlich – genau wie Schwester Hedwig selbst – eine Kunstfigur, die keine persönlichen Eigenschaften hat, sondern vielmehr die Ängste und Nöte eines nach Berlin umgezogenen Beamten parodiert. Es ist nach meiner Auffassung ausgeschlossen, daß ein Kabarettbesucher auf den Gedanken kommen kann, daß mit dieser Parodie irgendein bestimmter Beamter als Person gemeint wäre.

Aber auch davon abgesehen läßt das Kabarett-Programm meines Mandanten einen Rückschluß auf die Person Ihres Auftraggebers nicht zu. Die in dem Kabarett parodierte Kunstfigur ist zunächst einmal ein ›kleiner Beamter‹, was man von einem Ministerialrat nun wirklich nicht sagen kann. Der Beamte ist darüber hinaus in dem nicht existenten ›Bundesumzugsamt‹ eben für den Umzug zuständig und hier speziell für das ›Ablagewesen‹. Ihrem Schreiben ist nicht zu entnehmen, in welchem Ministerium Ihr Auftraggeber tätig ist. Zuständig für den Berlin-Umzug ist auf Bundesebene ausschließlich der ›Stab des Beauftragten der Bundesregierung für den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich‹ im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ich kenne die Beamten dieser Behörde und weiß, daß Ihr Herr Auftraggeber hier nicht tätig ist; auch hier fehlt also die Parallele. Die Kunstfigur im Kabarett des Herrn Rating heißt darüber hinaus mit Vornamen Karl-Heinz; Ihr Auftraggeber hat anscheinend einen anderen Vornamen und darüber hinaus einen Doktortitel.

Ich darf der guten Ordnung halber auch erwähnen, daß das Kabarett ›Out of Bonn‹ mit der Kunstfigur Karl-Heinz Gröbner bereits seit über einem Jahr bundesweit teilweise täglich aufgeführt wurde, und zwar auch mehrfach in Bonn; in nächster Zeit spielt Herr Rating in Berlin. Das Programm wurde darüber hinaus in einer Reihe von Fernsehsendungen in Live-Mitschnitten ausgestrahlt, rezensiert, kommentiert etc. Daß unter den vielen tausend Beamten in Bundesministerien auch einer den Nachnamen seiner Kunstfigur trägt, hat Herr Rating erst durch Ihren Brief erfahren.

Das Begehren Ihres Herrn Auftraggebers ist auch mit der verfassungsrechtlich garantierten Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) nicht vereinbar, da es ja praktisch darauf hinauslaufen würde, daß mein Mandant dem von ihm parodierten Beamten überhaupt keinen Namen geben dürfte; hieße er Meier oder Schulze oder Schmidt, würden wir vielleicht eine Vielzahl solcher Briefe von Beamten erhalten, die sich angesprochen fühlen.

Ich darf Ihnen noch abschließend mitteilen, daß mein persönlicher Eindruck beim Besuch des Kabaretts eher dahin ging, daß der ›kleine Beamte‹ Karl-Heinz Gröbner als sympathischer Mensch gezeichnet wird, der unter den Anstrengungen des Stadtlebens in Berlin und eines chaotischen Umzugs der Bundesregierung leidet und von ›Schwester Hedwig‹ voll Mitgefühl gepflegt wird. Die ausgezeichneten Kritiken und der große Erfolg des Kabaretts von Herrn Rating liegt ja gerade darin, daß er sich nicht über einzelne Personen, Menschen etc. lustig macht, sondern vielmehr an stilisierten Figuren die Lächerlichkeit und Traurigkeit bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen parodiert. Seien Sie im übrigen versichert, daß Herr Rating nicht einen einzigen Beamten eines Bundesministeriums namentlich oder persönlich kennt und daß ihn Namen und Personen von Bundesbeamten auch gar nicht interessieren.

Kurzum: Ich kann meinem Mandanten nicht raten, die von Ihnen gewünschte Unterlassungserklärung abzugeben; er wird auch die Kosten Ihrer Inanspruchnahme nicht tragen. Sollten Sie für Ihren Herrn Auftraggeber ein gerichtliches Verfahren einleiten, darf ich Sie kollegialiter bitten, mich als Prozeßbevollmächtigten meines Mandanten aufzuführen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Reiner Geulen«

 

Arnulf Rating reagiert auf den Fall
»Dr. Gröbner ./. Rating«:

 

»Liebe Partner in den Medien!

Durch eine zufällige Namensgleichheit zwischen meiner Bühnenfigur des Beamten Karl-Heinz Gröbner und einem Bonner Ministerialrat Dr. G. Gröbner ist es zu einer kuriosen Geschichte gekommen, über die in der jüngsten Ausgabe des Spiegels berichtet wurde (Spiegel Nr. 48/23.11.1998, S. 91).

Nach einem persönlichen Treffen mit Dr. Gröbner möchte ich die anliegende Erklärung abgeben. Im Rahmen dieser Umbennungsmaßnahmen fordere ich auch die Öffentlichkeit auf, mir mögliche Beamtennamen für meine Bühnenfigur zu nennen, so daß ich dann in der Lage bin, im siebentägigen Rhythmus den ›Gröbner der Woche‹ auszurufen. Um allein mit diesem Verfahren alle Bonner Ministeriumsbediensteten hinreichend zu erfassen, wäre allerdings eine Spielzeit von 126.000 Wochen erforderlich – das entspricht etwa 2.423 Jahre. Das Programm wäre dann also im Jahre 4421 beendet.

Bei gutem Vorschlagswesen würde sich daher ein täglicher Wechsel (›Gröbner des Tages‹) anbieten. Bei täglicher Vorführung könnte das Programm dann bereits in 345 Jahren zum Abschluß kommen.

Wir hoffen, daß zu diesem Zeitpunkt der Regierungsumzug dann auch endgültig zum Abschluß gebracht werden kann.

Mit freundlichen Grüßen!

Arnulf Rating«

 

– und gibt folgende Erklärung ab:

 

»Erklärung zum Fall Dr. Gröbner ./. Rating

Hiermit gebe ich bekannt, daß ich auf den Wunsch eines einzelnen deutschen Beamten die Figur des Beamten Karl-Heinz Gröbner in meiner Satire ›Out of Bonn‹ umbenenne in Karl Heinz Grübner. Ich gebe zu , daß mir das nicht leicht fällt, weil der Kabarettist in mir und meinem Anwalt Dr. Geulen sich sehr auf die juristische Auseinandersetzung gefreut hätte, in der mir dann untersagt worden wäre, einzelne Behauptungen über einen deutschen Beamten angesichts des Regierungsumzuges aufzustellen, die dadurch erst richtig bekannt geworden wären.

Aber es wäre unfair, wenn alleine aufgrund einer zufälligen Namensgleichheit die ganze Kritik nur an einem deutschen Beamten hängenbliebe. Vielmehr gibt mir diese Einzelbeschwerde die Möglichkeit, nicht nur einen Beamten von der Gefahr der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte zu befreien. Herr Dr. Gröbner hat mir freundlicherweise angeboten, mit seinen Möglichkeiten abzuklären, daß ich mit dem neuen Namen nicht einen anderen deutschen Beamten treffe, der dann Klage gegen mich führt. Das wird nicht nötig sein. Sollte sich ein Beamter namens Grübner in meiner Bühnenfigur wiedererkennen, so werde ich meinen Karl-Heinz Grübner sofort in Grüber umbenennen und nach der Beschwerde von Grüber in Gröber, Müller, Schulze, Overhaus, Morr und Schmidt. Sie sollen alle kommen. Ich meine ja nicht einen, sondern alle.

Im Falle des klagenden Beamten Dr. Gröbner muß uns nachdenklich stimmen, daß die treffende, persönlichkeitsverletzende Wirkung schon eintrat, ohne daß er meinen Kabarettprogramm selber gesehen hat. Das weist uns auf einen wichtigen Tatbestand hin: Unsere Beamten genießen nicht nur besondere Privilegien – wie etwa den Anspruch auf Unkündbarkeit, eine 13. Pension und das Recht, sich den Umzug ihrer Reitpferde als Haustiertransport vom Staat bezahlen zu lassen – sie sind offenbar auch wegen ihrer oft geringen satirischen Belastbarkeit stark gefährdet. Wir sollten ihnen dringend raten, bei ihrem Dienstherrn eine Humorzulage zu beantragen. Besonders, wenn sie nach Berlin kommen. Sie werden das brauchen können!

Wer aus politischen Gründen seine Heimat verlassen muß, sollte unseren besonderen Schutz genießen. Auch und gerade, wenn diese Heimat Bonn heißt.

Berlin, den 24. November 1998

Arnulf Rating«

 

Die Berliner Morgenpost fasst zusammen.

 

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